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Beitrag vom 08.03.2008
Anacaona – The Buena Vista Sisters`Club
Silvy Pommerenke
Kuba hat nicht nur den Buena Vista Social Club zu bieten, sondern auch ein explizit weibliches Gegenprogramm. Dabei handelt es sich um sage und schreibe elf Schwestern, die bereits...
...seit den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts zu Gitarre, Bass, Trompete und Kongas griffen und bis in die späten Achtziger aktiv auf der Bühne standen.
Die Frauenemanzipation bekommt durch die wahrscheinlich erste Girl-Group der Welt eine ganz neue Dimension. Die zwischen 1905 und 1929 geborenen Mädchen gaben 1932 – noch als Septett – ihren musikalischen Einstand im pulsierenden Havanna. Seinerzeit war die Stadt geprägt von Männern, amerikanischen TouristInnen und Prostituierten, so dass eine weibliche Musikgruppe, deren jüngstes Mitglied erst zehn Jahre alt war, für regelrechten Skandal sorgte. So etwas gab es bis dahin nicht, dass Frauen den Son cubano spielten, der zudem aufgrund seiner afrikanischen Wurzeln als vulgär galt. Trotz dieser Vorbehalte setzten sich die Töchter der Familie Castro durch und gelangten bald zu weltweitem Ruhm. Sie gaben sich den Bandnamen Anacaona in Anlehnung an eine indianische Prinzessin, die sich einige hundert Jahre zuvor gegen die spanische Kolonialherrschaft auflehnte und als Musikerin geschätzt wurde.
Ab 1934 trat Anacaona als Jazzorchester auf, in dem zeitweise alle elf Schwestern spielten. Außerdem engagierten sie professionelle Sängerinnen, die später selbst Solokarrieren anstrebten. Die berühmtesten von ihnen waren mit Sicherheit Celia Cruz und Omara Portuondo. Ein Jahr später tourten sie durch die Welt und eroberten die Herzen der New YorkerInnen am Broadway wie auch die der PariserInnen am Champs-Elysées. Bis zur kubanischen Revolution 1959 ging es weiter durch Mittel- und Südamerika, danach kamen sie nicht mehr aus Kuba heraus und wurden bis 1989 als Staatsorchester angestellt und mittlerweile als "Nationales Kulturgut" erklärt.
Die DokumentarfilmerInnen Ingrid Kummels und Manfred Schäfer sind nach Kuba gereist und haben ein liebevolles Portrait der noch lebenden Castro-Schwestern aufgenommen. Das Schöne dabei ist, den einstigen jungen Frauen beim würdevollen Altern zuzusehen. Die DVD zeigt eine - für lustfeindliche EuropäerInnen fast unvorstellbare – Gesellschaft, die vor allem eines will: sich amüsieren! Dass die Damen mit Achtzig plus immer noch zur Zigarette, zum Cocktailglas und feuchten Träumen greifen, macht irgendwie Lust aufs Altern. Natürlich wird das Instrument nicht mehr ganz so souverän in die Hand genommen, das Gehör leidet unter altersbedingten Nebenerscheinungen und die Augen können auch nicht mehr so, wie sie sollen und wollen. Aber bei der Dokumentation wird vor allem eines deutlich: Der Zusammenhalt innerhalb der kubanischen Gesellschaft, das Miteinander statt des Gegeneinanders wird groß geschrieben und es liegt ein ewiges Sex-Appeal in der Luft.
Die zeitgleich erscheinende CD enthält nahezu dreißig Songs, die zwischen 1937 und 1958 aufgenommen und die aufwändig restauriert wurden, ohne dass der Charme der einstigen Zeit dabei verschwunden ist.
Weiterlesen: "Anacaona" von Alicia Castro
AVIVA-Tipp: Die beiden DokumentarfilmerInnen haben die Castro-Schwestern und den Zeitgeist der dreißiger bis fünfziger gefühlvoll auf ihrer DVD portraitiert und machen dadurch Lust auf das Hören der Originalaufnahmen, die ein Spektrum von kubanischen Son über Mambo bis hin zu verträumten Boleros bietet.
Anacaona
The Buena Vista Sisters`Club
Label: Pa`Ti Pa`M (in-akustik), VÖ 22. Februar 2008
Anacaona
The Buena Vista Sisters`Club
The amazing story of Cuba`s forgotten girl band
Format: HiFi Sound, PAL
Sprache: Französisch, Spanisch, Deutsch, Italienisch, Englisch in Dolby Digital 2.0 Stereo
Untertitel: Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Französisch
Bildseitenformat: 4:3
Studio: in-akustik GmbH & Co.KG
DVD-Erscheinungstermin: 22. Februar 2008
Spieldauer: 85 Minuten